"Eigentum verpflichtet"
Barbara Eligmann
Lange war es still um Barbara Eligmann. Zur vergangenen Staffel von "Mieter in Not" aber kehrte die Journalistin auf den Bildschirm zurück und nahm sich einer Klientel an, die in wirtschaftlich schwierigen Zeiten oft genug zu leiden hat. Im Interview mit sat1.de spricht Eligmann über die Zustände, die sie in deutschen Wohnungen angetroffen hat, sie gibt Mietern wertvolle Tipps und sie nimmt die Vermieter ins Gebet.
sat1.de: Frau Eligmann, mancher Zuschauer dürfte sich in den letzten zwei, drei Jahren gefragt haben: „Was macht wohl Barbara Eligmann?“
Barbara Eligmann: Ich habe mir nach der Geburt meines dritten Kindes eine Auszeit genommen, um ganz für meine Familie da sein zu können. Das ist der eine Punkt. Der andere ist, dass ich grundsätzlich nicht für allzu viele Formate zur Verfügung stehe. Denn ich muss für mich selbst immer das Gefühl haben „das, was du jetzt machst, ist etwas Neues und bedeutet eine Herausforderung“. Und noch wichtiger ist mir, dass dieses Format auch der Wahrheit verpflichtet ist. Es hat einfach seine Zeit gebraucht, bis ich ein solches Format gefunden habe und auch bereit war, mal für vier, fünf Stunden irgendwo in Deutschland unterwegs zu sein, während meine Kinder in der Obhut meiner Schwiegermutter oder meiner Mutter geblieben sind.
sat1.de: „Der Wahrheit verpflichtet“ ist ein gutes Stichwort, das auf „Mieter in Not „fraglos zutrifft; Mieter müssen bisweilen ein hartes Schicksal erdulden ...
Eligmann: Es fällt einfach auf, dass dieses besondere Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter viel Konfliktstoff birgt. Und nicht wenige Experten sehen hier sogar eine zunehmende Zuspitzung. Denn in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession haben Vermieter nicht immer ein allzu großes Interesse an Handwerkerrechnungen und belassen ihre Immobilien ganz gerne mal in dem Zustand, in dem diese sich befinden. Deshalb ist es dieses Thema wert, aufgegriffen zu werden.
sat1.de: Waren die Zustände, die Sie angetroffen haben, schlimmer als befürchtet?
Eligmann: Sagen wir mal so: Wenn eine Familie mit sieben kleinen Kindern in einem Haus lebt, in dem es regelmäßig durchs Dach regnet, oder, wie in einem anderen Fall, der Boden unter spielenden Kindern langsam zerbröselt und abzusacken droht, dann ist das schockierend. Vor allem aber habe ich nicht damit gerechnet, dass manche Mieter sehr verängstigt sind, dass sie sich gar nicht erst trauen, die Mängel in ihrem Zuhause beim Vermieter zu melden.
sat1.de: Aus Angst vor Repressalien?
Eligmann: Aus verschiedenen Gründen. Weil man Angst hat, der Vermieter könnte einen an die Wand reden. Oder, wie im Fall der besagten Familie, weil befürchtet wird, der Vermieter könnte einem fristlos kündigen. Was dann vielleicht auch noch dazu führen würde, dass das Jugendamt der Familie die Kinder wegnimmt. Diese Ängste sind sehr groß, resultieren aber schlichtweg auch aus Unerfahrenheit. Denn kaum einer beschäftigt sich intensiv mit dem Mietrecht, bevor er einen Mietvertrag unterschreibt. Aus diesem Grund haben wir bei „Mieter in Not“ auch mit zwei ausgewiesenen Fachanwälten für Mietrecht zusammengearbeitet.
sat1.de: Befürchten Sie, dass solche Fälle in wirtschaftlichen Krisenzeiten zunehmen werden?
Eligmann: Diese Gefahr besteht. Wir hatten u. a. auch den Fall einer achtzigjährigen Frau, die bereits seit zwei Jahren keine funktionierende Heizung in ihrem Schlafzimmer hatte. Die Folge war natürlich eine extreme Schimmelbildung und damit eine große Gesundheitsgefährdung. Mit 80 und mehr Jahren hat man aber nicht mehr unbedingt die Kraft, beim Vermieter auf sein Recht zu pochen.
sat1.de: Reicht die Gleichgültigkeit mancher Vermieter tatsächlich an Körperverletzung heran?
Eligmann: Körperverletzung? Früher hätte ich das verneint. Und auch heute weiß ich nicht, ob man hier tatsächlich von Körperverletzung im juristischen Sinn sprechen kann. Was ich aber weiß ist, dass es für ein dreijähriges Kind ganz sicher nicht gesund sein kann, wenn es in einem Raum spielt, in dem die Tapete so stark schimmelt, dass sie sich schon von der Wand löst, und dort die Asseln munter hin und her krabbeln. Erkrankungen wie Asthma oder Allergien sind dann ziemlich sicher die Folge. In einem anderen Fall haben wir aufgedeckt, das seine Gasheizungsanlage, also eine Therme, die einen Raum heizen sollte, an einen längst zugemauerten Schornstein angeschlossen war, so dass den Bewohnern eine Kohlenmonoxid-Vergiftung drohte. Da kann es dann sein, dass man abends die Augen zumacht, aber morgens nicht wieder aufwacht.
sat1.de: Nach welchen Kriterien wurden die Fälle ausgewählt?
Eligmann: Wir haben die Fälle so ausgewählt, dass eine gewisse Diversität gegeben ist. Man kann nicht sechsmal Familien mit Kindern oder auch Rentner zeigen, denen übel mitgespielt wurde. Vielmehr haben wir uns um eine große Bandbreite und auch um regionale Abwechslung bemüht, so dass wir mal in Mecklenburg-Vorpommern sind, mal in NRW, oder auch in Berlin.
sat1.de: Nach allem, was Sie dort erlebt haben, gibt es einige Grundregeln, die Mieter beherzigen sollten?
Eligmann: Der wichtigste Tipp ist der, sich einem Mieterverein anzuschließen, der für relativ geringes Entgelt eine Beratung garantiert, so dass man im Falle eines Falles jemanden an seiner Seite hat, der mit der Materie vertraut ist. Und ich würde jedem raten, beizeiten einen Bausparvertrag abzuschließen. Denn dann hat man die Chance, sich irgendwann vielleicht gar nicht mehr mit Vermietern herumschlagen zu müssen.
sat1.de: Man darf sicher davon ausgehen, dass Sie heute Eigentum besitzen; haben Sie aber in der Vergangenheit selbst einmal schlechte Erfahrungen als Mieter gemacht?
Eligmann: Allerdings, und das ist gar nicht so lange her. Damals hatte ich als Vermieter ein Ehepaar, das auch diese klassische Allergie gegen Handwerkerabrechnungen hatte. Immer wenn irgendetwas kaputt war, hat man selbst versucht den Schaden zu beheben.
sat1.de: Wahrscheinlich mit drastischen Folgen ...
Eligmann: Exakt. In einem Fall fuhr ein automatischer Rollladen nicht mehr herunter, und die Frau des Vermieters hat sich daran zu schaffen gemacht. Mit dem Resultat, dass das Teil plötzlich mit lautem Knall herunter sauste, dann aber überhaupt nicht mehr zu bewegen war. Also musste doch ein Handwerker kommen. In solchen Fällen müssen einfach Fachleute ran. Schließlich zahlen die Leute nicht zuletzt Miete auch dafür, dass ihre Wohnung in einem bewohnbaren Zustand ist. Viele Menschen wissen z.B. gar nicht, dass man für den entsprechenden Zeitraum keine Miete zahlen muss, wenn etwa die Toilette nicht funktioniert oder die Heizung ausfällt.
sat1.de: Inwieweit konnten Sie mit Ihrer Sendung helfen?
Eligmann: Unser Anspruch war es, dass sich, wenn ein Fall abgedreht ist, die Lebensumstände der Menschen entscheidend verbessert haben. Und das ist uns bisher tatsächlich auch gelungen. Sei es mit Hilfe der Hausverwaltung und der Vermieter oder auch indem wir selbst angepackt haben. Im Fall der neunköpfigen Familie etwa haben wir gleich ein neues Haus besorgt und den Umzug organisiert.
sat1.de: Gibt es auch etwas, das Sie Vermietern mit auf den Weg geben möchten?
Eligmann: Vermieter sollten nie vergessen, dass es um Menschen und deren Lebensqualität geht. Eine Wohnung zu vermieten bedeutet nicht, dass man sein Geld im Schlafverdienen kann. Im Gegenteil: Eigentum verpflichtet auch. Zudem sollten Vermieter immer auch daran denken, dass sie sich sogar strafbar machen können, wenn sie die Gesundheit ihrer Mieter wissentlich aufs Spiel setzen.
Interview: sat1.de / Andreas Kötter