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Im Juni

Nach Brexit: London droht mit Abbruch von Gesprächen

  • Veröffentlicht: 27.02.2020
  • 17:04 Uhr
  • dpa
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London will den Spieß bei den Gesprächen über die künftigen Beziehung zur EU nach dem Brexit umdrehen. Dieses Mal soll Brüssel unter Zeitdruck gesetzt werden. Das schürt die Angst vor einem Scheitern der Verhandlungen.

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Die britische Regierung hat mit einem Abbruch der Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zur EU gedroht, sollte sich bis Juni kein Abkommen abzeichnen. Das geht aus dem britischen Verhandlungsmandat hervor, das am Donnerstag veröffentlicht wurde. Beginnen sollen die Verhandlungen am Montag in Brüssel. Sollten sie scheitern, will sich London ganz auf einen Austritt ohne Anschlussabkommen nach dem Auslaufen der Übergangsphase Ende des Jahres vorbereiten.

London und Brüssel haben nur bis Ende Dezember Zeit, um sich auf ein Freihandelsabkommen und die Kooperation in weiteren Bereichen zu einigen, bevor die Brexit-Übergangsphase ausläuft. Ansonsten drohen vor allem der Wirtschaft schwere Konsequenzen. Großbritannien war am 31. Januar aus der Staatengemeinschaft ausgeschieden, unterliegt aber noch bis Jahresende EU-Regeln. Eine Verlängerung der Übergangsfrist, die noch bis Ende Juni offensteht, lehnt der britische Premierminister Boris Johnson vehement ab.

In dem Verhandlungsmandat nimmt London wie erwartet eine harte Position ein. Eine Anpassung britischer Gesetze an EU-Regeln werde nicht akzeptiert, heißt es darin. Auch der Europäische Gerichtshof solle keinerlei Rechtsprechung in Großbritannien ausüben dürfen. "Alles, was wir wollen, ist die gegenseitige Anerkennung unserer hohen Standards und den gegenseitigen Zugang zu unseren Märkten", sagte Johnson kurz vor der Veröffentlichung des Papiers am Donnerstag vor Journalisten.

Brüssel pocht auf EU-Standards

Die EU befürchtet, dass Großbritannien seine Unternehmen von teuren Umwelt- und Sozialauflagen befreit, bei Bedarf mit Subventionen hilft und so den Wettbewerb verzerrt - sie pocht darauf, dass die EU-Standards Referenzwerte bleiben.

Neben einem Freihandelsabkommen wollen die Briten separat Bereiche wie Fischerei, Luftfahrt, Migration und Strafverfolgung klären. Brüssel hingegen peilt ein umfassendes Abkommen an, das möglichst alle diese Sachgebiete unter einen Hut bringt.

Die Briten wollen damit offenbar den Spieß umdrehen und die EU in einzelnen Bereichen zu Zugeständnissen bewegen, bevor sie über andere Themen sprechen. Ähnlich hatte es Brüssel bei den Austrittsgesprächen gemacht. Ob das gelingen wird, ist fraglich.

Auch EU-Chefunterhändler Michel Barnier hatte bei der Vorstellung seines Mandats gewarnt, Brüssel werde den Vertrag "nicht um jeden Preis schließen". Am Donnerstag reagierte er nur knapp mit einer Nachricht auf Twitter. Die EU nehme das britische Verhandlungsmandat zu Kenntnis, twitterte er und fügte hinzu: "Wir wollen eine ehrgeizige und faire Partnerschaft mit Großbritannien in der Zukunft."

Vor allem die Fischerei gilt als umstritten. Brüssel will möglichst die derzeitigen Abmachungen beibehalten, wonach EU-Fischerboote Zugang zu den besonders reichen britischen Fischereigewässern haben. Das lehnt London aber ab. Stattdessen wollen die Briten jährlich festsetzen, welchen Zugang sie zu ihren Gewässern erlauben. Mit dem Zugang zum europäischen Markt, wohin der größte Teil des britischen Fischs exportiert wird, soll das nach dem Willen Londons nicht verknüpft werden.

Sorgenfalten dürften EU-Politikern auch Aussagen von Staatsminister Michael Gove auf die Stirn treiben. Der betonte mehrfach bei der Vorstellung des Verhandlungsmandats im britischen Parlament, es werde keine Grenze in der Irischen See geben. Er befeuerte damit Spekulationen, London könnte seine Zugeständnisse aus dem Brexit-Abkommen rückgängig machen, wonach zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens künftig Warenkontrollen stattfinden sollen. Damit soll gewährleistet werden, dass die Grenze zum EU-Mitgliedstaat Republik Irland offen bleiben kann. Ein Regierungssprecher betonte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur es habe sich seit dem Abschluss des Brexit-Abkommens nichts geändert. "Wir errichten keine Infrastruktur", sagte er. Das sei schon seit Langem die Position von Premierminister Boris Johnson.

Angesichts der konträren Positionen wächst die Furcht vor einem Scheitern der Gespräche, "Die Positionen der EU und Großbritannien liegen soweit auseinander, dass ein 'No Deal' wahrscheinlich geworden ist", meinte der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament, Sven Giegold. "Meine Befürchtung ist, dass mangels einer Einigung die Standards der WTO zwischen der EU und Großbritannien gelten werden." Giegold rief die Verhandlungspartner auf, günstigere Handelsvereinbarungen zu treffen, als die von der Welthandelsorganisation vorgesehenen.

Gleichzeitig mit den Verhandlungen mit Brüssel will London auch Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit Washington einleiten. Bereits Anfang nächster Woche solle dafür ein Verhandlungsmandat vorgestellt werden, kündigte ein Regierungssprecher an.

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