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Jamaika gescheitert

Lindner: "So gut wie keine Unterstützung von Merkel"

  • Veröffentlicht: 22.11.2017
  • 07:17 Uhr
  • dpa
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Der FDP-Vorsitzende erteilt einem neuen Jamaika-Versuch eine Abfuhr. Dies mache «keinen Sinn», sagt Lindner in einem Interview - und kritisiert dabei auch die Kanzlerin. Das Stelldichein der Parteichefs bei Bundespräsident Steinmeier geht derweil weiter.

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Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat mangelnde Unterstützung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den Jamaika-Sondierungen beklagt. Während die Grünen Geschäfte zu Lasten der FDP gemacht hätten, habe die FDP von Merkel «so gut wie keine Unterstützung für unsere Kompromissvorschläge erhalten», sagte Lindner der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Online Dienstag/Print Mittwoch).

Die Sondierungen waren in der Nacht zu Montag geplatzt. Die FDP brach die Gespräche mit CDU, CSU und Grünen unter Verweis auf eine fehlende Vertrauensbasis überraschend ab und stürzte Merkel damit in die schwerste Krise ihrer zwölfjährigen Amtszeit. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bemüht sich, einen Ausweg aus der politischen Sackgasse zu finden. Er trifft dazu am Mittwoch (14.00 Uhr) unter anderem mit dem CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer zusammen.

Von der Leyen will Neuwahlen vermeiden

In der FDP habe es die Wahrnehmung gegeben, «dass wir der Mehrheitsbeschaffer für ein im Kern schwarz-grünes Bündnis hätten werden sollen», sagte Lindner der «FAZ». «Es gibt Grenzen der Kompromissfähigkeit, wenn es darum geht, einen Partner zu demütigen. Was am Ende auf dem Tisch lag, haben wir leider so empfinden müssen.» Für einen neuen Anlauf im Jamaika-Format sah Lindner dem Bericht zufolge «keinen Sinn». In einem RTL-Interview bekräftigte er: «Jetzt kann es keine weitere Bewegung geben. Und im Übrigen: Wenn ich sehe, wie Bündnis 90/Die Grünen jetzt über die FDP sprechen öffentlich, dann bestätigt das im Nachhinein meine Bedenken, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit dort nicht gegeben ist.»

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hingegen sagte am Dienstagabend in der ARD-Sendung «Maischberger» zu FDP-Vize Wolfgang Kubicki: «Die Tür ist offen.» Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter ist an einer Fortsetzung der Gespräche interessiert: «Es lagen sehr, sehr gute Dinge auf dem Tisch. Wir wollen Neuwahlen vermeiden. Wir sind weiter gesprächsbereit.» Dem Angebot erteilte Kubicki aber noch in der Sendung eine Abfuhr: «Wie lange sollen wir denn sprechen? So lange, bis wir tot umfallen?»

Grünen-Chef Cem Özdemir zeigte sich erneut enttäuscht von der FDP. Diese habe nach einer Exit-Strategie gesucht, das habe man in der Schlussphase deutlich gespürt, sagte er dem Magazin «Stern». «Sie wollte den Bruch und suchte mehr oder weniger verzweifelt den Punkt, mit dem sie das gut begründen konnte. Sie hat diesen Punkt bis zuletzt nicht gefunden». Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin hielt Lindner in der «Passauer Neuen Presse» (Mittwoch) eine Inszenierung vor.

Auch der Chef des wirtschaftsnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, bemängelte das FDP-Vorgehen. Sie habe sich «durch die Art und Weise, wie sie diese Entscheidung getroffen und begründet hat, selbst aus dem Spiel genommen», sagte Hüther dem «Spiegel». Die FDP habe keine überzeugenden Sachgründe benannt, sondern ganz generell davon gesprochen, dass keine Grundlage für Vertrauen bestehe.

Steinmeier hatte sich am Dienstag bereits mit Lindner, Özdemir und dessen Co-Vorsitzender Simone Peter getroffen. Einzelheiten dazu wurden nicht bekannt. Nach dem Gespräch mit Seehofer wollte Steinmeier am Mittwoch auch mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, zusammenkommen.

Frank-Walter Steinmeier nimmt Schlüsselrolle ein

Am Donnerstag will der Bundespräsident mit dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz Möglichkeiten ausloten, doch noch zu einer neuen Regierung zu kommen. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, rief seine Partei zu Gesprächsbereitschaft auf. «Man muss mit dem Bundespräsidenten offen reden, ohne gleich auf dem eigenen Standpunkt zu beharren», sagte er «Bild» (Mittwoch). «Das sehen die Spitzen der Partei und Fraktion auch so.» Die SPD-Spitze hatte seit der Bundestagswahl eine erneute große Koalition immer kategorisch ausgeschlossen. Am Dienstag aber trauten sich erste Politiker aus den Reihen der Sozialdemokraten, den Beschluss der Parteispitze gegen ein solches Bündnis zu kritisieren.

Neben einer großen Koalition wäre theoretisch auch eine Duldung einer Minderheitsregierung durch die SPD denkbar. Andernfalls käme es zu Neuwahlen. Die Entscheidung darüber trifft Steinmeier nach Artikel 63 des Grundgesetzes.

Verdi-Chef Frank Bsirske warnte vor einem politischem Stillstand bis zur Bildung einer neuen Regierung. Mit Blick auf die laufenden Beratungen Steinmeiers mit den Parteivorsitzenden sagte er: «Es ist vernünftig, den Akteuren Zeit zu geben, sich zu rütteln.» Allerdings seien auch alle in der Verantwortung, die Zeit bis zu einer neuen Regierung inhaltlich zu füllen. «Es ist eine Probe, ob es die Bereitschaft gibt, zu handeln.»

Einer Insa-Umfrage im Auftrag der «Bild» zufolge kommen CDU und CSU derzeit nur noch auf 30 Prozent (minus zwei Punkte). SPD (21) und Grüne (10) gewinnen demnach im Vergleich zur Vorwoche jeweils einen Punkt hinzu. FDP (11), Linke (11) und AfD (14) legen jeweils einen halben Punkt zu.

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